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Neue Max-Planck-Forschungsgruppe legt den Fokus auf Praktiken der Validierung in der biomedizinischen Forschung

Jüngste Debatten um die Verlässlichkeit von Covid-19-Antigen-Tests haben die Bedeutung von Methoden der Validierung hervorgehoben: Woher wissen wir, dass wir diesen Tests ausreichend vertrauen können? Die neue interdisziplinäre Forschungsgruppe „Praktiken der Validierung in der biomedizinischen Forschung“ am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte (MPIWG) wird Fragen nach der Geschichte und Wissenschaftstheorie der Validität von diagnostischen Tests und medizinischen Studien in den Fokus rücken. Die Gruppe wird von Dr. Lara Keuck geleitet, die bereits zahlreiche Publikationen zur Geschichte und Philosophie der Biomedizin veröffentlicht hat. Die vergangenen sechs Jahre war sie Leiterin einer Nachwuchsforschungsgruppe an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Die Zuverlässigkeit von Covid-19-Antigen-Tests ist in den letzten Monaten zu einem Thema von politischer und öffentlicher Bedeutung geworden. Können wir uns ausreichend auf sie verlassen, um Schulen, Geschäfte und Museen wieder zu öffnen, ohne dadurch die Pandemiesituation zu verschlimmern? Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben Fachausdrücke wie „Spezifität“ und „Sensitivität“, die mit der Überprüfung dieser Tests verbunden ist, der Öffentlichkeit erklärt. Was dabei wenig reflektiert wurde, ist, dass diese Begriffe selbst eine Geschichte haben: Die Bedeutungen dieser Begriffe wurden auf Grundlage ihrer Nützlichkeit für bestimmte Krankheiten etabliert und mit unterschiedlichen Methoden und Techniken verknüpft. Die Forschungsgruppe zeichnet diese Geschichten nach und analysiert, wie frühere Annahmen heute noch nachwirken: Wie wurde Validität praktiziert, und wie wurde Unsicherheit erfasst, reguliert und mit ihr argumentiert?

Anhand der Geschichte der Validität wird die Forschungsgruppe die Entwicklung der modernen medizinischen Forschung beleuchten und sich mit den gegenwärtigen Herausforderungen der Übersetzung und Bewertung von biomedizinischem Wissen auseinandersetzen. „Ich bin gespannt darauf, die Verbindungen und Unterschiede zwischen der Verwendung von Konzepten und Praktiken der Validierung zu erforschen, gerade weil die biomedizinische Forschung so vielgestaltig ist,“ sagt Keuck: „In der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts wurde „Validierung“ für ganz unterschiedliche Bereiche definiert z.B. für die Regulierung von toxikologischen Tests oder in der psychiatrischen Forschung. Wie ist es dazu gekommen? Bisher gibt es keine Studien, die verschiedene Bedeutungen und Methoden der Validierung historisch und systematisch vergleichen.“

Die Forschungsgruppe wird nicht nur Historiker*innen und Philosoph*innen der Medizin versammeln, sondern auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus anderen Geistes- und Sozialwissenschaften sowie aus dem medizinischen Bereich. „Wir freuen uns sehr, die Lebenswissenschaften in Form dieser neuen interdisziplinären Forschungsgruppe wieder an unserem Institut begrüßen zu dürfen,“ bekräftigt Geschäftsführende Direktorin Dagmar Schäfer. „Lara Keucks Forschung ist zentral für die Untersuchung der Grundlagen biomedizinischen Wissens und sehr anschlussfähig an aktuelle Debatten in Wissenschaft und Gesellschaft.“

„Ich freue mich sehr darauf, mit verschiedenen Formen der transdisziplinären Forschung zu experimentieren,“ fügt Keuck hinzu. „Das MPIWG bringt eine immense Vielfalt an Ansätzen und eine große Bandbreite an Fallstudien zusammen, die gemeinsam und vergleichend zeigen, dass nichts als selbstverständlich vorausgesetzt werden kann. Das macht dieses Institut zu einem einzigartigen Ort nicht nur für die Historisierung der Grundlagen wissenschaftlichen Wissens, sondern auch für die Diskussion unserer eigenen methodischen Annahmen und Entscheidungen in der Wissenschaftsgeschichte und der Philosophie der Medizin.“

Biographie: Dr. Lara Keuck

Dr. Lara Keuck hat in Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin in einem Doktorandenkolleg der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und der École normale supérieure in Paris promoviert. Bevor sie im April 2021 an das MPIWG kam, leitete sie die Nachwuchsgruppe „Learning from Alzheimer's Disease: A History of Biomedical Models of Mental Illness“ an der Humboldt-Universität zu Berlin, gefördert durch das Branco Weiss Fellowship - Society in Science der ETH Zürich. Im Jahr 2020 wurde Keuck zum Mitglied der Jungen Akademie (BBAW und Leopoldina) gewählt.

Ausgewählte Publikationen

  • Keuck, Lara. “A Window to Act? Revisiting the Conceptual Foundations of Alzheimer’s Disease in Dementia Prevention.” In Preventing Old Age and Decline? Critical Observations on Aging and Dementia, edited by Annette Leibing and Silke Schicktanz, 19–39. New York: Berghahn, 2020.
  • Keuck, Lara. “History as a Biomedical Matter: Recent Reassessments of the First Cases of Alzheimer’s Disease.” History and Philosophy of the Life Sciences 40, no. 1 (2018).
  • Keuck, Lara. “Diagnosing Alzheimer’s Disease in Kreapelin’s Clinic, 1909–1912.” History of the Human Sciences 32, no. 2 (2018): 42–64.
  • Keil, Geert, Lara Keuck and Rico Hauswald. 2017. Vagueness in Psychiatry. Oxford: Oxford University Press.
  • Huber, Lara and Lara Keuck. “Philosophie der biomedizinischen Wissenschaften.” In Grundriss Wissenschaftsphilosophie. Die Philosophien der Einzelwissenschaften, edited by Thomas Reydon and Simon Lohse, 287–318. Freiburg: Meiner, 2017.
  • Huber, Lara and Lara Keuck. “Mutant Mice: Experimental Organisms as Materialised Models in Biomedicine.” Studies in History and Philosophy of Science Part C: Studies in History and Philosophy of Biological and Biomedical Sciences 44 (2013): 385–391.