Seit dem siebzehnten Jahrhundert war der weit ins Folgejahrhundert hineinreichende Streit über die kulturelle Überlegenheit der Antike oder der Moderne ein zentraler Topos intellektueller Debatten, zunächst in Frankreich, dann auch in anderen europäischen Ländern. Dieser Streit spiegelte sich in Positionen über die sich herausbildenden mathematischen Methoden in der Naturphilosophie wieder. Während nicht in Frage stand, dass es einen Wissensfortschritt bezüglich partikulärer Phänomene (z.B. dem Kompass) gegeben habe, war umstritten, inwiefern antike Methoden und Argumentationsformen für die moderne Wissenschaft nicht mehr verbindlich seien.
Eine zentrale Innovation in der Methode der Mechanik des siebzehnten Jahrhunderts war die Verwendung der analytischen Geometrie (Übersetzung geometrischer Probleme in algebraische Gleichungen) und der Infinitesimalrechnung. In der Bewertung dieser Innovationen gab es große Differenzen: Newton berief sich explizit auf die Autorität der Euklidischen Geometrie als Begründung für die konservative Form der Beweise in den Principia Mathematica, in denen er so weit als möglich einen Rückgriff auf analytische Geometrie und Infinitesimalrechnung vermied. In Lagranges Mechanique analytique andererseits finden sich keinerlei geometrische Diagramme mehr und die Newtonsche Mechanik wird ausschließlich in Form algebraischer Gleichungen präsentiert.
Der Aufsatz untersucht die Frage nach dem Verhältnis dieses radikalen Wandels in der theoretischen Methodologie der Mechanik zu den Vorstellungen der Akteure von antiker Wissenschaft und ihrer Autorität. Des weiteren verfolgt er die Entstehung eines Begriffs von antiker Wissenschaft als eines Anderen der modernen Wissenschaft und das Verhältnis dieses Begriffs zu einer Wissenschaftsgeschichte im modernen Sinne.