Pressemitteilung vom 24. Juni 2004

„Das Schwert der Wissenschaft“ als außenpolitische Waffe: Die internationale politische Mission der Humangenetiker der KWG im „Dritten Reich“

Führende deutsche Humangenetiker wie Eugen Fischer (1874 – 1967), Ernst Rüdin (1874 – 1952) und Otmar von Verschuer (1896 – 1969) haben sich von 1933 an als Fürsprecher der nationalsozialistischen Rassenpolitik betätigt. Indem sie die Idee eines „Rassenstaates“ wissenschaftlich legitimierten, erwiesen sie den neuen Machthabern wertvolle Dienste. Ihr Engagement war besonders gefragt, wenn sie auf internationalen Konferenzen „das Schwert der Wissenschaft“ im Meinungsstreit gegen ausländische Kollegen schwangen, um die NS-Regierung und ihre Rassenpolitik zu verteidigen. Obwohl die Teilnahme an solchen Kongressen auch immer einem professionellen Eigeninteresse folgte, erwartete die NS-Regierung bei diesen Gelegenheiten eine intensive und effektive Propagandatätigkeit von den Wissenschaftlern – und sie wurde nicht enttäuscht.

Die Wissenschaftshistorikerin Sheila Faith Weiss, außerordentliche Professorin für Geschichte an der Clarkson University in Potsdam/New York, untersucht in ihrem Vortrag diese spezifische Form der wissenschaftlichen Auslandspolitik deutscher Humangenetiker verschiedener Kaiser-Wilhelm-Institute. Wie viele ihrer Kollegen bemühten sich Fischer, Verschuer und Rüdin vor Kriegsbeginn darum, im Rahmen einer regen Vortragstätigkeit im In- und Ausland die biomedizinischen Visionen der Nationalsozialisten mit ihrer Expertise zu fundieren.

Als nach Kriegsausbruch keine Konferenzen mit wahrhaft internationaler Ausrichtung mehr stattfanden, verlagerten die Humangenetiker ihre Tätigkeit auf das Gebiet der Kulturpropaganda in besetzten und verbündeten Ländern. Dort waren ihre Auftritte als Wissenschafts- und Kulturbotschafter ebenfalls von großem Interesse für die NS-Regierung. Auch wenn der  praktische Wert einer solchen Tätigkeit nur schwer zu beurteilen ist, so lassen Vortragsmanuskripte und Reiseberichte doch erkennen, daß es den Wissenschaftlern gewiß nicht an Enthusiasmus mangelte. Auch im internationalen Zusammenhang stellten Wissenschaft und Politik während des Nationalsozialismus Ressourcen füreinander bereit.

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Birgit Kolboske, 24. Juni 2004