Pressemitteilung vom 4. Dezember 2003

Adolf Butenandt zwischen Wissenschaft und Politik. Von der Weimarer Republik bis in die Bundesrepublik Deutschland

Adolf Butenandt (1903-1995) war als Präsident und Ehrenpräsident der Max-Planck-Gesellschaft nach 1945 einer der erfolgreichsten Wissenschaftspolitiker der Bundesrepublik. Um so brisanter sind die öffentlichen Anschuldigungen, die seine wissenschaftliche Karriere in den Jahren 1933 und 1945 betreffen. Als Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Biochemie gehörte er zu den führenden Naturwissenschaftlern des "Dritten Reiches". In jüngster Zeit wurde mehrfach der Vorwurf erhoben, er habe, über seinen Kollegen Otmar Freiherr von Verschuer, mit Joseph Mengele in Auschwitz zusammengearbeitet und im "Zentrum der deutschen Kriegs- und Vernichtungsforschung gestanden". Diese Beschuldigungen, so zeigt der Historiker Wolfgang Schieder, sind nicht haltbar. Aber Butenandt war zweifellos ein wissenschaftspolitischer Mitläufer auf höchstem Niveau.

Im völkischen Milieu des Jungdeutschen Ordens politisch sozialisiert, war Butenandt ursprünglich ein Gegner des Nationalsozialismus. Nachdem er 1933 in Danzig Professor geworden war, ohne Mitglied der NSDAP zu sein, glaubte er zunächst, das Regime unterstützen zu können, ohne ihm anzugehören. Als seine Berufung an das Kaiser-Wilhelm-Institut für Biochemie 1936 zu scheitern drohte, stellte er einen Aufnahmeantrag an die NSDAP, ohne jedoch aktiver Nationalsozialist zu werden. Bis 1939 ließ er sich wie die meisten Deutschen von Hitlers außenpolitischen Erfolgen blenden. Die Ernüchterung kam im November 1939, als er gezwungen wurde, den Nobelpreis für Chemie abzulehnen. Fortan zog er sich auf eine vermeintlich 'reine' Wissenschaft zurück, deren Rationalität er gegen das irrationale System des Nationalsozialismus glaubte verteidigen zu können. Da er zur Durchführung seiner vielfältigen biochemischen Forschungen jedoch auf die Kooperation mit den verschiedensten Instanzen des NS-Regimes angewiesen war, erwies sich dieser szientistische Rückzug auf eine politikferne Wissenschaft als Illusion. Zwar hatte Butenandt keine Forschungsprojekte zu verantworten, die als wissenschaftlich motivierte Verbrechen zu bezeichnen wären. Als gefragter naturwissenschaftlicher Experte im Krieg wurde er jedoch ungeachtet seiner inneren Vorbehalte zu einem Teilhaber des nationalsozialistischen Regimes. Auch wenn dies seine Karriere in der Bundesrepublik nicht beeinträchtigte, so hat es ihn später doch zunehmend belastet.

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Anke Pötzscher, 4. Dezember 2003