book cover: Wahsner/ von Borzeszkowski: Das physikalische Prinzip (2012)
Publication
Das physikalische Prinzip: der epistemologische Status physikalischer Weltbetrachtung

Das Buch versteht sich als Beitrag zur Naturphilosophie, indem es den erkenntnistheoretischen Status der Physik untersucht. Diese – wie man meinen könnte – disziplinverengende Vorgehensweise wird gewählt, weil es ein Irrtum ist zu meinen, man wisse über die epistemologische Verfaßtheit der Physik bzw. der Naturwissenschaft überhaupt bereits Bescheid, eine unzutreffende Bestimmung dieses Status jedoch einen falschen Begriff von Naturphilosophie impliziert. So übersieht die nicht unübliche Überzeugung, daß eine ausgeprägte Naturwissenschaft die Naturphilosophie überflüssig mache, den Sachverhalt, daß sich Naturwissenschaft und Naturphilosophie in ihrem epistemologischen Status grundsätzlich unterscheiden und die Philosophie – will sie nicht zum Mechanizismus werden – ihre Aufgabe darin hat, die naturwissenschaftlichen Aussagen kategorial auf den Begriff zu bringen, indem sie die Objekt-Fassung der Naturwissenschaft aufhebt und so begründet, warum die Einzelwissenschaft im Unterschied zur Philosophie diese für sie typische Welt-Form braucht. – Dabei wird unterstellt, daß das auf diese Weise über die Physik Erkundete auch etwas über die Naturwissenschaft überhaupt aussagt – ohne damit alles auf Physik reduzieren zu wollen. Ausgehend davon, daß der Gegenstand der Physik die Bewegung ist, nicht bewegte Dinge mit ihren Eigenschaften, sondern die Bewegung als Bewegung, werden die Objekte der Physik als Größen charakterisiert. Diese Größen sind „Gedankendinge“ bzw. cum grano salis Verstandesgegenstände – deutlich unterschieden von den konkreten Naturgegenständen. Sie sind keine Konkreta, aber auch nichts rein Ideelles oder nur rational Erdachtes. In einer Größe wird ein Verhalten aus der Mannigfaltigkeit des Wirklichen substantiviert – ein Verhalten und ein Verhalten, nicht eine Eigenschaft. Es wird gezeigt, daß die Bildung solcher Meßgrößen durch die analytische Geometrie ermöglicht wurde, indem diese – mit Cassirer gesprochen – dem Raum die Logik der Zahlen und (so muß man hinzufügen) den Zahlen die Logik des Raumes aufprägte. Der auf dieser Grundlage ausgebildete Infinitesimalkalkül gestattete es dann, außer den extensiven Größen auch intensive zu bilden, die zu einer qualitativen Bewegungserfassung unbedingt erforderlich sind. Die Objekte der Physik sind also Meßgrößen in ihren Beziehungen. Erkenntnistheoretisch gesehen sind diese Erkenntnisobjekte jedoch Erkenntnismittel. Die Größen haben mithin einen Doppelcharakter, was bei der philosophischen Rezeption physikalischer Aussagen beachtet werden muß, soll es nicht zu mechanizistischen Ausdeutungen kommen. Die hier skizzierte epistemologische Verfaßtheit der Physik erfordert es, die Welt unter der Form des Objekts zu fassen, wodurch sich die Physik grundlegend von der Philosophie unterscheidet und der Übergang von einem zum anderen unvermittelt nicht möglich ist. Um von der Naturwissenschaft zur Naturphilosophie zu gelangen, muß die Fassung der Welt unter der Form des Objekts zur Subjekt-Objekt-Einheit aufgehoben werden.

Publisher
Königshausen & Neumann
ISBN
978-3-8260-4847-0
Year
2012
Language
German