Einstein's Zuricher Notizbuch


Einleitung

Am 25. November 1915 legte Einstein der Berliner Akademie der Wissenschaften eine Note mit dem Titel "Die Feldgleichungen der Gravitation" vor [1], in welcher er die noch heute gültigen Gravitationsgleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie,

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die später sogenannten Einsteingleichungen, publizierte. In der hier verwendeten modernen Notation bezeichnet

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den Riccitensor ( sind die Christoffelschen Symbole zweiter Art), dessen Spur, den felderzeugenden Energie-Impuls-Tensor und eine Proportionalitätskonstante. Der Spurterm in Gl. (1) erweitert den Riccitensor zum heute sogenannten Einsteintensor, dessen kovariante Divergenz identisch verschwindet und deshalb das Verschwinden der Divergenz des Energie-Impuls-Tensors als Integrabilitätsbedingung impliziert. Einstein kommentierte die Gravitationsgleichungen, wie folgt:

Damit ist endlich die Relativitätstheorie als logisches Gebäude abgeschlossen. Das Relativitätspostulat in seiner allgemeinsten Fassung, welches die Raumzeitkoordinaten zu physikalisch bedeutungslosen Parametern macht, führt mit zwingender Notwendigkeit zu einer ganz bestimmten Theorie der Gravitation, welche die Perihelbewegung des Merkur erklärt [1, S. 847].
Einsteins Publikation der Feldgleichungen (1) gilt mit Recht als Geburtsstunde der Allgemeinen Relativitätstheorie. Anders aber als Einsteins abschließende Bemerkung vermuten läßt, war er zu diesen Feldgleichungen allerdings keineswegs gradlinig und "mit zwingender Notwendigkeit", sondern nur auf langen Umwegen und nach einer jahrelangen intensiven Arbeit an dem Problem der Gravitation gekommen [2-7]. Einstein selbst charakterisierte diesen Prozeß im Rückblick folgendermaßen:

Im Lichte bereits erlangter Erkenntnis erscheint das glücklich Erreichte fast wie selbstverständlich, und jeder intelligente Student erfaßt es ohne zu große Mühe. Aber das ahnungsvolle, Jahre währende Suchen im Dunkeln mit seiner gespannten Sehnsucht, seiner Abwechslung von Zuversicht und Ermattung und seinem endlichen Durchbrechen zur Wahrheit, das kennt nur, wer es selber erlebt hat [8, S. 138].
Glücklicherweise ist nun aber für eine historische Aufklärung des von Einstein rückblickend als dunkel empfundenen Entdeckungsprozesses der Bestand an überlieferten historischen Dokumenten recht gut. Die Herausforderung einer Rekonstruktion dieser Entdeckungsgeschichte ist deshalb bereits früh von Historikern angenommen worden [2]. Wesentliche Fortschritte im Verständnis wurden vor allem durch die bahnbrechenden Arbeiten von John Stachel erzielt [3]. Bei der Rekonstruktion der Entstehungsgeschichte der Allgemeinen Relativitätstheorie kommt neben den veröffentlichten Schriften und der Korrespondenz Einsteins dem sogenannten "Züricher Notizbuch" eine entscheidende Bedeutung zu, dessen Bedeutung schon früh von John Stachel bei der Vorbereitung der Herausgabe der Einsteinschen Schriften erkannt wurde. Bereits 1984 hat dann John Norton eine umfassende und überzeugende Rekonstruktion der Entdeckungsgeschichte der Allgemeinen Relativitätstheorie vorgelegt, in der es ihm unter anderem gelungen ist, durch die Entschlüsselung von entscheidenden Seiten des Notizbuchs hartnäckige Vorurteile der Sekundärliteratur zu korrigieren [4]. Auch nach dieser Pionierleistung blieben allerdings weite Teile des Notizbuchs unverstanden. Im Rahmen der vom Berliner Senat geförderten und von Peter Damerow und Jürgen Renn geleiteten Arbeitsstelle Albert Einstein am Berliner Max Planck Institut für Bildungsforschung konnte nun in den letzten Jahren das gesamte Manuskript durch Werner Heinrich, Michel Janssen, John Norton und John Stachel sowie den Autoren umfassend analysiert werden. Es hat sich herausgestellt, daß es dieses einzigartige Forschungstagebuch gestattet, Einstein in einer kritischen Phase seiner Suche nach einer neuen Gravitationstheorie direkt über die Schulter zu blicken. Zu den überraschenden neuen Einsichten gehört dabei, daß Einstein bereits 1912 oder spätestens im Frühjahr 1913 nicht nur, wie schon seit langem bekannt, die quellenfreien Feldgleichungen ohne den problematischen Spurterm, sondern sogar auch die korrekten vollen Gleichungen in linearisierter Näherung in Betracht gezogen, dann aber wieder verworfen hat. Vielleicht noch wichtiger allerdings sind die neuen Einblicke in die Heuristik und Struktur von Theoriebildungsprozessen, die dieses Dokument erlaubt und die die Entdeckung der Allgemeinen Relativitätstheorie als Ergebnis einer mathematisch-physikalischen Doppelstrategie verstehen lassen.

Vorläufer der Einsteingleichungen

Unmittelbar vor der Aufstellung der Einsteingleichung im November 1915 hatte Einstein noch verschiedene andere Feldgleichungen erwogen. So hatte er am 11. November nur den reinen Riccitensor selbst als Differentialoperator der Feldgleichung vorgeschlagen [9], bevor er dann entdeckte, daß der Divergenzbedingung für durch Subtraktion des im Einsteintensor auftretenden Spurterms automatisch Genüge geleistet werden konnte. Und nur eine Woche vorher, am 4. November 1915, hatte er als Differentialoperator sogar nur einen Teil des Riccitensors angenommen [10], nämlich die ersten beiden Terme in Gl.(2), die sich nur unter gewissen eingeschränkten, sogenannten unimodularen Koordinatentransformationen wie ein Tensor transformieren. Wir nennen diesen Ausdruck im folgenden den "Novembertensor".

Die erste der drei im November 1915 publizierten Feldgleichungen ist also nicht einmal allgemein kovariant. Doch ist allen diesen Feldgleichungen gemein, daß sie aus dem Riccitensor konstruiert sind, und daß Einstein jedesmal glaubte, die endgültige Lösung bereits gefunden zu haben. Schon in der ersten dieser Novemberarbeiten behauptete er kühn:

Dem Zauber dieser Theorie wird sich niemand entziehen können, der sie wirklich erfasst hat; sie bedeutet einen wahren Triumph der durch Gauss, Riemann, Ricci und Levi-Civiter begründeten Methode des allgemeinen Differentialkalküls [10, S. 779].
Diese Bemerkung hätte aus späterer Perspektive vielleicht besser in die letzte der Novemberarbeiten gepaßt. Sie wird jedoch verständlich, wenn man bedenkt, daß Einstein vor der Hinwendung zum Riccitensor im November 1915 für etwa zweieinhalb Jahre an Feldgleichungen festgehalten hatte, die nicht einmal unter Verwendung von mathematisch wohldefinierten Tensoren formuliert waren und sich jedenfalls manifest nicht allgemein kovariant transformieren. Hier stand auf der linken Seite einer Feldgleichung der Form (1) statt des Einsteintensors der folgende Ausdruck

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Die Feldgleichungen mit dem aus heutiger Sicht obskur anmutenden Differentialausdruck (3) wurden von Einstein im Frühjahr 1913 zusammen mit seinem Studienfreund, dem Mathematiker Marcel Grossmann in einem "Entwurf einer verallgemeinerten Relativitätstheorie und einer Theorie der Gravitation" [11] publiziert und werden deshalb als "Entwurf"-Gleichungen bezeichnet.

Ebenfalls schon nach der Publikation des "Entwurfs" zeigte sich Einstein zuversichtlich, daß er nun "das Richtige getroffen" habe, wie er im Juli 1913 an seinen Freund Jakob Laub schreibt. "Die entsprechende Verallgemeinerung der Relativitätstheorie ist gelungen," heißt es in dem Brief lapidar [12, S. 538].

Tatsächlich enthält der "Entwurf" von 1913 schon die wesentlichen begrifflichen und mathematischen Elemente der vollendeten Allgemeinen Relativitätstheorie. Hierzu gehören vor allem die entscheidende Einsicht, daß ein metrischer Tensor für die vierdimensionale Raumzeit die Rolle eines verallgemeinerten Gravitationspotential spielen würde. Insbesondere hatte er mit Hilfe des metrischen Tensors allgemein kovariante Bewegungsgleichungen für den materiellen Punkt aufstellen können. Weiterhin war ihm eine allgemein-kovariante Formulierung des Energie-Impuls-Satzes für Materie im Gravitationsfeld gelungen, die in moderner Ausdrucksweise durch das Verschwinden der kovarianten Divergenz des Energie-Impuls-Tensors der Materie gegeben ist und bei Einstein in der für symmetrische Tensoren gültigen Form

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erscheint.

Den für die Formulierung der späteren Allgemeinen Relativitätstheorie nötigen Tensorkalkül hatten sich Einstein und Grossmann zu diesem Zeitpunkt ebenfalls bereits in Form des "absoluten Differentialkalküls" von Ricci und Levi-Civita angeeignet, und in der Tat war ihnen - wahrscheinlich schon 1912 - auch der Nachweis der allgemeinen Kovarianz von Gl. (4) mit diesen mathematischen Mitteln gelungen.

Im Rahmen desselben mathematischen Kalküls bot sich mit dem Riemanntensor auch ein idealer Ausgangspunkt für die Suche nach einer Feldgleichung an. Im "Entwurf" selbst wird bereits der Riccitensor als möglicher Kandidat der linken Seite der Feldgleichung diskutiert. Aus dem Züricher Notizbuch geht hervor, daß Einstein und Grossmann damals nicht nur vollen den Riccitensor, sondern auch schon den oben erwähnten "Novembertensor" als linke Seite der Feldgleichung erwogen hatten [4]. Wie sich nun im Rahmen der Arbeit unserer Gruppe an diesem Manuskript herausgestellt hat, hatte Einstein darüberhinaus auch schon die entscheidende Erweiterung des (linearisierten) Riccitensors um den Spurterm in Betracht gezogen [16]. Damit ist klar, daß sämtliche der im November 1915 publizierten Feldgleichungen Einstein bereits drei Jahre vor ihrer Publikation vor Augen gestanden haben. Zu diesem Zeitpunkt erschien Einstein allerdings der Weg, den wir heute als den Königsweg zur allgemeinen Relativität ansehen, als Sackgasse, und er schlug stattdessen mit dem "Entwurf"-Operator (3) einen Holzweg ein, von dem er erst Jahre später wieder abwich. Vom Standpunkt einer historischen Rekonstruktion wirft die Publikation des "Entwurfs" daher die Frage auf, was die Feldgleichungen dieser Theorie für Einstein so plausibel machte.

Bereits John Norton konnte mit Hilfe des Notizbuchs zeigen, daß die zunächst in der Literatur geäußerten Vermutungen [2], z. B. daß Einsteins Abkehr vom Riccitensor mit dem problematischen Begriff des Energie-Impulstensors der Gravitation oder einfach mit der Unkenntnis von Koordinatenbedingungen zusammenhing, nicht haltbar sind [4]. John Stachel hatte in diesem Zusammenhang schon früh darauf hingewiesen, daß die Gravitationstheorie des "Entwurfs" an frühere Arbeiten Einsteins zum Problem der Gravitation anknüpfte, die seine Erwartungen an die Eigenschaften einer neuen Gravitationstheorie entscheidend geprägt hatten [3]. So hatte Einstein im Frühjahr 1912 eine Theorie statischer Gravitationsfelder entwickelt [13, 14], indem er zunächst die Spezielle Relativitätstheorie auf den Spezialfall gradlinig gleichförmig beschleunigter Bezugssysteme verallgemeinert und die auftretenden Inertialkräfte im Sinne seiner Äquivalenzhypothese als ein homogenes statisches Gravitationsfeld interpretiert hatte. In dieser Theorie wurde die Lichtgeschwindigkeit c zu einer räumlich variablen Funktion, die zudem in solcher Weise in die Bewegungsgleichungen eingeht, daß sie die Rolle des Gravitationspotentials spielen konnte. Für die entsprechende, c bestimmende Potentialgleichung hatte Einstein eine nichtlineare Verallgemeinerung,

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der skalaren, klassischen Poissongleichung aufgestellt [14]. Hier bezeichnet die skalare, felderzeugende Materiedichte und k eine Proportionalitätskonstante.

Überlegungen aus der kritischen Übergangsphase von dieser frühen Theorie statischer Gravitationsfelder zur Theorie des "Entwurfs" sind im Züricher Notizbuch dokumentiert. Erst eine umfassende Rekonstruktion dieser Überlegungen ließ daher eine fundierte Antwort auf die Frage erwarten, warum Einstein und Grossmann die korrekten Feldgleichungen der Gravitation bereits 1912 erwogen und dann wieder verworfen haben.

Das "Züricher Notizbuch"

Nach einem anderthalbjährigen Aufenthalt in Prag wechselte Einstein im August 1912 als Professor zur Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich, wo er bis zum Frühjahr 1914 blieb. In dieser Zeit hatte er die Möglichkeit, mit seinem ehemaligen Studienfreund Grossmann zusammenzuarbeiten, der inzwischen eine Professur für Mathematik an der ETH innehatte und der ihm bei der Rezeption der relevanten mathematischen Literatur half. Es sind vor allem die in dieser Zusammenarbeit gewonnen Einsichten, die ihren Niederschlag im "Züricher Notizbuch" Einsteins gefunden haben.

Bei diesem Manuskript handelt es sich um ein ursprünglich 96 Seiten starkes Notizbuch, dessen Deckblatt von Einstein mit dem Titel Relativität versehen wurde. Bei dem heute vorhandenen Notizbuch ist ein Blatt herausgerissen, ein weiteres sauber herausgetrennt. 84 Seiten der verbleibenden Blätter sind beschrieben, und zwar fast ausschließlich mit Rechnungen und Stichworten oder kurzen Bemerkungen zu Problemen aus verschiedenen Gebieten der Physik, hauptsächlich aber zur Gravitationstheorie. (Eine Transkription von Teilen des Manuskripts ist im Band 4 der Collected Papers of Albert Einstein [15] publiziert, in dem auch die Referenzen [11, 13, 14] wieder abgedruckt sind.)

Die Datierung der Eintragungen auf den Zeitraum zwischen Sommer 1912 und Frühjahr 1913 sowie die Identifizierung ihrer zeitlichen Abfolge stützt sich dabei auf die Analyse der von Einstein verwendeten mathematischen Notation sowie auf eine genaue inhaltliche Rekonstruktion [4, 15, 16]. Erschwert wurde die Rekonstruktion durch die Tatsache, daß Einstein das Buch sowohl von der Vorderseite als auch von der Rückseite benutzte, so daß sich die Notizen gegeneinander auf dem Kopf stehend an einer Stelle des Notizbuchs treffen.

Der Rekonstruktion zufolge endet das Notizbuch mit einer knappen Ableitung der 1913 im "Entwurf" publizierten Feldgleichungen sowie einigen Überlegungen, die sich auf die Formulierung der Elektrodynamik im Rahmen der "Entwurf"-Theorie beziehen und ebenfalls in der von Einstein und Grossmann gemeinsam veröffentlichten Arbeit wiederzufinden sind. Auf der anderen Seite enthält das Notizbuch aber auch Rechnungen, die unverkennbar aus einer sehr frühen Phase der Beschäftigung Einsteins mit dem Problem einer tensoriellen Gravitationstheorie stammen, in der ihm offensichtlich weder der mathematische Begriffsapparat des absoluten Differentialkalküls noch weiterreichende Einsichten in die unmittelbaren Konsequenzen einer metrischen Theorie der Gravitation zur Verfügung standen.

Einsteins Ausgangspunkt im Sommer 1912

Die Elemente, aus denen Einstein eine neue Gravitationstheorie entwickeln wollte, sind auf einer der frühesten Seiten (39L, [15, S. 201]) des Notizbuchs, auf denen er sich mit dem Problem der Gravitation beschäftigte, übersichtlich zusammengestellt (vgl. Abb.1):

a) Das auf dieser Seite erstmals zu findende allgemeine Linienelement,

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verweist auf die vierdimensional verallgemeinerte Gaußsche Flächentheorie und die Einsicht in die Rolle des metrischen Tensors als zentrales Objekt einer relativistischen Theorie der Gravitation.

Einsteins anfängliche Verwendung der Majuskel G für den metrischen Tensor (vgl. Abb.1, im gesamten übrigen Manuskript verwendet er das heute gebräuchliche kleine g) und der elementare Charakter der Rechnungen, in der er sich durch explizite Koordinatentransformationen noch des Tensorcharakters und der Transformationseigenschaften der Metrik vergewissert, deuten dabei darauf hin, daß es sich bei dieser Seite in der Tat um den zeitlich frühesten Teil der Notizen zum Gravitationsproblem handelt.

b) Die spezielle Form einer diagonalen Metrik,

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in der die g44-Komponente durch das Quadrat der Lichtgeschwindigkeit gegeben ist, verweist auf die vierdimensionale Minkowski-Formulierung der Speziellen Relativitätstheorie mit imaginärer Zeitkoordinate als Spezialfall der neuen Gravitationstheorie, auf den sich ihre allgemeine Formulierung bei Abwesenheit von Gravitationsfeldern spezialisieren lassen müßte. Da in Einsteins 1912 entwickelter Theorie statischer Gravitation die Lichtgeschwindigkeit das Gravitationspotential darstellt, ließ sich darüberhinaus diese Theorie ebenfalls mit Hilfe dieser speziellen Form der Metrik als ein Spezialfall in die allgemeine tensorielle Theorie einbetten.

c) Der auf dem unteren Drittel der Seite erkennbare Differentialausdruck für die Lichtgeschwindigkeit c verweist auf die nichtlineare Differentialgleichung (5) für die Lichtgeschwindigkeit als Gravitationspotential, wie Einstein sie im März 1912 aufgestellt hatte [14].

Das Ziel der auf dem unteren Teil der abgebildeten Seite erkennbaren Variablentransformation war es offensichtlich, die Differentialgleichung der statischen Theorie als Komponente einer tensoriellen Feldgleichung für den vollen metrischen Tensor interpretieren zu können, auf den sich diese für den speziellen Fall statischer Gravitationsfelder und bei bestimmter Wahl des Koordinatensystems reduziert. Diese Rechnung betrifft daher unmittelbar die zentrale Frage, die sämtliche Rechnungen des Züricher Notizbuchs, soweit sie sich überhaupt auf das Gravitationsproblem beziehen, beherrscht: Wie lautet der aus dem metrischen Tensor und seinen ersten und zweiten Ableitungen gebildete Differentialausdruck einer Feldgleichung,

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auf deren rechter Seite der Energie-Impuls-Tensor der Materie als felderzeugende Quelle fungiert?

Die heuristischen Anforderungen

Die Lösung dieser Aufgabe hatte zwei unterschiedliche Aspekte. Zum einen mußten geeignete Kandidaten für den gesuchten, auf die Metrik wirkenden Differentialoperator gefunden werden. Zum anderen mußte für einen gegebenen Kandidaten eines solchen Operators geklärt werden, ob er allen heuristischen Anforderungen genügte.

Die Rekonstruktion der im Notizbuch niedergeschriebenen Überlegungen zusammen mit der Analyse der Publikationen und der zeitgenössischen Korrespondenz Einsteins erlauben dabei die Identifikation von vier heuristischen Anforderungen, denen die gesuchte Feldgleichung für Einstein vor allem zu genügen hatte:

  • a) Zunächst sollte ein verallgemeinertes Relativitätsprinzip in dem Sinne gelten, daß die Kovarianzgruppe der Theorie größer ist als die Gruppe der Lorentztransformationen der Speziellen Relativitätstheorie. Im optimalen Fall war, aus Einsteins Sicht, diese Anforderung durch die mathematische Eigenschaft der allgemeinen Koordinatenkovarianz erfüllt, wobei für ihn mit einem Koordinatensystem jeweils auch (mindestens lokal) ein Bezugssystem gegeben war. Einsteins wohl entscheidende Motivation für die Einführung dieses Relativitätsprinzips war seine (unberechtigte) Hoffnung, daß dieses Prinzip zugleich auch eine Erklärung der Trägheit im Sinne Machs liefern würde.

  • b) Das Äquivalenzprinzip sollte insoweit erfüllt sein, als daß unter den Koordinatentransformationen der Kovarianzgruppe speziell diejenigen enthalten sein sollten, die der gradlinig gleichförmigen Beschleunigung sowie der gleichförmigen Rotation einer Minkowski-Raumzeit entsprechen. Damit wollte Einstein erreichen, daß die Inertialkräfte in einem beschleunigten "Fahrstuhl" sowie in einem rotierenden Bezugssystem als Gravitationsfelder interpretiert werden können.

  • c) Im Sinne der Erfüllung eines Korrespondenzprinzips sollte eine verallgemeinerte Theorie in bestimmter Weise die herkömmliche Newtonsche Mechanik enthalten. Dieser "Newtonsche Limes" sollte allerdings nach Einsteins Verständnis über den Spezialfall einer Metrik der Form (7) realisiert werden, so daß eine räumlich variable -Komponente den Anschluß an seine frühe skalare Theorie statischer Gravitationsfelder gewährleisten würde [3].

  • d) Das Erhaltungsprinzip der Energie sollte in der spezifischen Weise erfüllt sein, daß die Existenz eines Ausdrucks gefordert wurde, der sich als (nicht notwendigerweise allgemein kovarianter) Energie-Impuls-Spannungs-"Tensor" des Gravitationsfeldes interpretieren ließ. Die Erhaltung von Gesamtenergie und Gesamtimpuls im Gravitationsfeld wäre dann durch das Verschwinden der (gewöhnlichen) Divergenz der Summe der Energie-Impuls-Tensoren von Materie und Feld ausgedrückt.

  • In der Tat lassen sich Einsteins Überlegungen im Züricher Notizbuch als Versuche verstehen, mögliche Kandidaten für die Feldgleichungen gemäß diesen heuristischen Anforderungen aufzustellen und dann zu überprüfen, inwieweit eine in Erwägung gezogene Feldgleichung allen heuristischen Kriterien genügen konnte. Das Problem bestand für Einstein dabei lange Zeit darin, daß es ihm nicht gelang, eine Feldgleichung zu finden, die allen genannten heuristischen Anforderungen gleichermaßen genügte, so daß er sich gezwungen sah, diese Kriterien selbst einzuschränken oder zu modifizieren. Auch aus der Perspektive der heutigen Allgemeinen Relativitätstheorie enthalten diese Kriterien offensichtlich sowohl verwirklichte als auch problematische Forderungen (z.B. der in c) geforderte Anschluß an die statische Theorie) und mußten deshalb notwendigerweise im Verlauf von Einsteins Forschungen immer wieder revidiert werden.

    Einsteins Doppelstrategie

    Für die Konstruktion von geeigneten Kandidaten für den Differentialoperator der gesuchten Feldgleichung kristallisierten sich im Laufe der Beschäftigung Einsteins mit dem Gravitationsproblem zwei gewissermaßen komplementäre Strategien heraus, die im "Züricher Notizbuch" besonders deutlich zutage treten und bei denen die genannten heuristischen Kriterien in unterschiedlicher Weise entweder als Ausgangspunkt oder als Prüfstein eingingen.

    Eine "mathematische" Strategie bestand darin, das verallgemeinerte Relativitätsprinzip an den Anfang zu stellen und in der mathematischen Literatur nach geeigneten Ausdrücken zu suchen, deren Kovarianzgruppe bekannt war. In der Tat lassen die Eintragungen im Züricher Notizbuch eine wachsende Vertrautheit Einsteins mit der relevanten mathematischen Literatur der Invariantentheorie und dann des Riemannkalküls erkennen. Für solche Kandidaten mußte dann natürlich geklärt werden, ob die Feldgleichungen das Energieerhaltungsprinzip erfüllten und sich der Newtonsche Limes in der erwarteten Weise realisieren ließe.

    Die komplementäre "physikalische" Strategie bestand darin, den physikalisch wohlbekannten Grenzfall der Speziellen Relativitätstheorie und die scheinbar ebenfalls gesicherte spezielle Theorie statischer Gravitation an den Anfang zu stellen, d.h. vom Limes schwacher statischer Felder auszugehen und nach physikalisch plausiblen Verallgemeinerungen zu suchen, deren Spezialisierung auf den Newtonschen Grenzfall evident war. Auch hier stellte die Energieerhaltung natürlich eine weitere heuristische Anforderung dar. Vor allem aber mußte hier der Grad der mathematischen Kovarianz geklärt werden, d.h. der Grad, bis zu dem das Prinzip der Relativität tatsächlich verallgemeinert wurde.

    Die Identifizierung dieser zwei komplementären Strategien erweist sich als Schlüssel für das Verständnis vieler Überlegungen und Rechnungen des Züricher Notizbuchs sowie auch weiterer Überlegungen Einsteins aus der Zeit zwischen 1913 und 1915 [16]. Bei der Rekonstruktion der Entstehungsgeschichte der Allgemeinen Relativitätstheorie erlaubt diese Identifizierung insbesondere ein detailliertes Verständnis des komplizierten wechselseitigen Anpassungsprozesses von mathematischem Kalkül und physikalischer Begriffsbildung.

    Im folgenden soll dieser Wechselprozeß beispielhaft an einer Episode aus dem Notizbuch illustriert werden. Im Notizbuch geht Einstein zunächst von der physikalischen Strategie aus, wird aber dann unterbrochen durch Grossmanns Hinweis auf den Riemanntensor. Dieser Hinweis führt ihn zur "mathematischen" Strategie, die ihn schließlich bereits drei Jahre vor ihrer Veröffentlichung bis an die korrekten Einsteingleichungen in linearisierter Form heranführt.

    Der Kernoperator

    Der "physikalischen" Strategie folgend, besteht eine naheliegende Verallgemeinerung des Laplace-Operators der klassischen Poissongleichung der Newtonschen Gravitationstheorie in einer unmittelbaren Anwendung des Laplace-Beltrami-Operators auf die Komponenten der Metrik,

    (9)

    Diesen Operator nennen wir, da er in Einsteins Überlegungen immer wieder den Kern und Ausgangspunkt bildet, den "Kernoperator" (genau genommen, ist der Operator hier bereits angewandt auf die Metrik). Er hat offensichtlich die Eigenschaft, daß er sich für schwache Felder auf den d'Alembert-Operator reduziert und für die spezielle Form der statischen Metrik auf den Laplace-Operator, daß er also Bedingung c), den geforderten Newtonschen Grenzfall, erwartungsgemäß erfüllt.

    Auf einer frühen Seite des Notizbuchs begann Einstein mit einer Untersuchung dieses Kernoperators, indem er zunächst überprüfte, wie sich dieser Ausdruck mit der Bedingung d) der Energieerhaltung verträgt, gewann aber hier nach einigem Probieren offenbar den Eindruck, daß der Kernoperator an dieser Bedingung scheitert.

    Der Riccitensor

    Eine weitere Überprüfung des Kernoperators wurde im Notizbuch auf der Seite 14L [15, S. 233] jedenfalls wahrscheinlich dadurch unterbrochen, daß Marcel Grossmann Einstein auf den Riemanntensor als geeigneten Ausgangspunkt für die Konstruktion allgemein kovarianter Differentialausdrücke hinwies (vgl. Abb.2). Wie ein Brief Einsteins an Sommerfeld vom Oktober 1912 nahelegt, geschah dies vermutlich im Herbst 1912 [12, S.505]. Damit erschien für die Lösung von Einsteins Problem die mathematische Strategie nun wieder besonders aussichtsreich, da mit allgemein kovarianten Ausdrücken die heuristische Bedingung a) des verallgemeinerten Relativitätsprinzips automatisch erfüllt wäre. In der Tat kontrahierte Einstein auf dieser Seite den Riemanntensor zum Riccitensor, der als Tensor zweiten Ranges natürlich ein geeigneter Kandidat für die gesuchte Feldgleichung ist. Eine kurze Überlegung zeigte ihm jedoch, daß dieser Tensor für den Fall schwacher statischer Felder sich nicht wie gewünscht unmittelbar auf den Newtonschen Limes reduziert und damit die heuristische Anforderung c) verletzt. Diejenigen Terme, die zweite Ableitungen der Metrik enthalten, bestehen nämlich zum einen aus dem Kernoperator (9), der den gewünschten Grenzfall ermöglichen würde, zum anderen aber aus drei weiteren Termen zweiter Ableitung, die einem problemlosen Übergang zum Newtonschen Grenzfall zunächst im Wege stehen. Einstein kommentierte diese Terme mit den Worten: "Sollte verschwinden."

    Auf den folgenden Seiten des Notizbuchs versuchte Einstein zunächst, aus dem Riemanntensor auf andere Art und Weise einen geeigneten Tensor zweiten Ranges zu konstruieren, bevor er schließlich auf Seite 19L [15, S. 246] zum Riccitensor zurückkehrte. Offensichtlich war Einstein nun nämlich klar geworden, daß er die beim Übergang zum Newtonschen Limes störenden Terme durch die Forderung der sogenannten "harmonischen Koordinatenbedingung", welche die nötige Spezialisierung des Koordinatensystems beim Übergang zur nicht mehr allgemein kovarianten Newtonschen Theorie darstellt, beseitigen kann [4].

    Da der Riccitensor sich nur unter Verwendung harmonischer Koordinaten auf den Kernoperator plus Terme erster Ableitung reduziert, mußte Einstein nun prüfen, ob diese zusätzliche harmonische Koordinatenbedingung noch mit seinen heuristischen Kriterien verträglich ist. Zu diesem Zweck betrachtete er den Fall schwacher Felder, , wobei hier die Minkowski-Metrik bei imaginärer Zeitkoordinate mit gegeben ist. In diesem Fall reduziert sich der Riccitensor auf den Kernoperator (9), der sich seinerseits zum d'Alembert-Operator vereinfacht. In linearisierter Näherung ergibt sich damit folgende Feldgleichung mit dem Energie-Impuls-Tensor für eine inkohärente Massenströmung ("Staub") als Quelle

    (10)

    Einstein überzeugte sich nun zunächst davon, daß diese Gleichung dem Erhaltungsprinzip d) insofern genügt, als in der betrachteten Näherung die Existenz eines Energie-Impuls-Tensors des Gravitationsfeldes ableitbar war. Allerdings tauchte dennoch für ihn sofort ein Problem auf. In linearisierter Näherung ist die Energie-Erhaltung nämlich durch das Verschwinden der bloßen Koordinatendivergenz des Energie-Impuls-Tensors der Materie gegeben, und diese Bedingung führt wegen der linearisierten Feldgleichung (10) zu folgender Bedingung an die Koordinaten

    (11)

    Die Überprüfung seiner heuristischen Kriterien führte für Einstein an dieser Stelle also zu zwei zusätzlichen, die Koordinatenwahl einschränkenden Bedingungen. Ein Vergleich von Bedingung (11) mit der harmonischen Koordinatenbedingung in linearisierter Näherung,

    (12)

    zeigt, daß das gleichzeitige Bestehen dieser beiden Bedingungen eine weitere Bedingung,

    (13)

    impliziert. Letztere Bedingung hat nun aber zwei für Einstein fatale Konsequenzen. Zunächst impliziert sie zusammen mit der (linearisierten) Feldgleichung (10) das Verschwinden der Spur des Energie-Impuls-Tensors, eine Schlußfolgerung, die aber mindestens für den einfachen Fall des Staubes ganz offensichtlich nicht stimmt. Zweitens folgt aus Gl. (13), daß in der betrachteten Näherung schwacher Felder sich die tensorielle Feldgleichung nicht auf eine einfache Gleichung für die g44-Komponente reduziert, sondern daß in derselben Näherung auch die räumlichen Komponenten noch von der Minkowski-Metrik abweichen. Dies bedeutet aber, daß der Newtonsche Grenzfall nicht über den Limes schwacher und statischer Felder in der von Einstein erwarteten Weise gemäß Anforderung c) realisiert werden kann (vgl. hierzu auch [3]).

    Das Dilemma, dem Einstein sich gegenübersah, hatte sich nun also folgendermaßen zugespitzt. Für eine konsistente physikalische Interpretation des Riccitensors im Sinne seiner heuristischen Kriterien als linke Seite einer allgemein kovarianten Feldgleichung mußten im linearisierten Fall sowohl die Bedingung (11) als auch die Bedingung (12) gestellt werden. Beide zusammen führen aber zur unhaltbaren Bedingung (13).

    Der Einsteintensor

    In dieser Situation entschloß sich Einstein auf der Seite 20L [15, S. 247f] zu einer Modifikation des Riccitensors, die ihn aus heutiger Sicht direkt zu den korrekten Einsteingleichungen geführt hätte (vgl. Abb.3). Auf der Ebene der linearisierten Feldgleichungen erwog er nämlich die Möglichkeit, die beiden Bedingungen (11) und (12) dadurch miteinander in Einklang zu bringen, daß die Feldgleichung (10) um einen zusätzlichen Spurterm modifiziert wird. Diese Modifikation führt dazu, daß nun auch aus der Forderung nach Energieerhaltung die Bedingung (12) folgt und damit die erste der genannten fatalen Konsequenzen vermieden ist.

    Im Notizbuch brachte Einstein diesen Spurterm sogleich von der linken auf die rechte Seite der "Gravitationsgleichungen" (wobei er übrigens einen algebraischen Rechenfehler beging, der aber keinerlei Konsequenzen hatte). Er stellte dann zunächst fest, daß auch mit diesem zusätzlichen Spurterm ein Spannungs-Energie-Tensor gemäß der Forderung d) konstruierbar ist. Einstein kommentierte diese Einsicht mit der Bemerkung: "Darstellbar in der verl[angten] Form."

    Auf der Ebene der linearisierten Feldgleichung verblieb damit für Einstein allerdings das Problem des Newtonschen Grenzfalls. Die Einführung des Spurterms führt nämlich nach wie vor zu der Konsequenz, daß sich die tensorielle Feldgleichung im Limes schwacher Felder nicht auf eine skalare Poissongleichung für die g44-Komponente reduziert, sondern in derselben Näherung weitere Komponenten der Metrik berücksichtigt werden müssen.

    Da die physikalische Strategie Einstein nun aber unabhängige Argumente für die Spezifizierung des Newtonschen Grenzfalls gemäß c) lieferte, wandte er sich von der korrekten Feldgleichung der Allgemeinen Relativitätstheorie ab und einem neuen Kandidaten für die linke Seite der Feldgleichung zu. Dieser Vorgang illustriert die komplizierte Wechselwirkung zwischen den zur Vollendung der Allgemeinen Relativitätstheorie noch erforderlichen Veränderungen des physikalischen Verständnisses und der Auslotung der impliziten Konsequenzen seines mathematischen Formalismus. Da diese Auslotung für Einstein 1912 noch nicht weit genug fortgeschritten war, gab er zu dieser Zeit die Hoffnung auf eine vollständige Einlösung seiner ursprünglichen und mit der späteren Theorie konfligierenden heuristischen Erwartungen noch nicht auf.

    In der Tat ging Einstein im Notizbuch zum nächsten Kandidaten für einen Differentialoperator der Feldgleichung über, folgte dabei aber zunächst noch der Strategie, einen solchen Operator auf der Basis des Riemanntensors zu konstruieren. Er untersuchte nun denjenigen Teil des Riccitensors, den er dann später in der ersten der im November 1915 veröffentlichten Arbeiten wiederaufnehmen würde, den "Novembertensor". Aber auch hier stieß er zur Zeit des Züricher Notizbuchs noch auf unüberwindliche Interpretationsprobleme.

    Der Entwurfoperator

    Nachdem alle Versuche gescheitert waren, Feldgleichungen auf der Basis des Riccitensors zu konstruieren und konsistent physikalisch zu interpretieren, kehrte Einstein am Ende des Notizbuchs zu seiner "physikalischen" Strategie zurück und leitete die Gravitationsgleichungen des "Entwurfs" her. Seine Strategie bestand nun insbesondere darin, vom Kernoperator (9) auszugehen, der sich im Grenzfall schwacher statischer Felder jedenfalls ohne zusätzliche Bedingungen auf den Laplace-Operator reduziert, und Terme höherer Ordnung zu bestimmen, indem die Divergenzgleichung (4) konstruktiv eingesetzt wurde, um die Energieerhaltung gemäß d) zu erfüllen. Das Verfahren lieferte für die linke Seite der Feldgleichung (8) den in Gl. (3) angegebenen Ausdruck. Diesen Operator publizierte Einstein wenig später zusammen mit Grossmann in dem "Entwurf einer verallgemeinerten Relativitätstheorie und einer Theorie der Gravitation". Es sollte mehr als zwei Jahre dauern bis Einstein zum Riccitensor und damit zur Forderung nach allgemeiner Koordinatenkovarianz zurückkehrte.

    Schlußbemerkung

    Der "Entwurf" enthält die erstaunliche Feststellung Einsteins, daß es

    sich als unmöglich erweist, unter dieser Voraussetzung [daß die Feldgleichungen zweiter Ordnung sein sollen] einen Differentialausdruck zu finden, der eine Verallgemeinerung von ist, und sich beliebigen Transformationen gegenüber als Tensor erweist [11, S. 11].
    Die Analyse des Züricher Notizbuchs gestattet nun ein besseres Verständnis der Schwierigkeiten, denen Einstein sich bei der Suche nach einer relativistischen Gravitationstheorie gegenübersah. Weder bestanden die Gründe in trivialen Fehlern Einsteins, noch führte ihn seine Heuristik notwendig in eine bestimmte Richtung, sei es nun die richtige oder falsche. Die heuristischen Annahmen, die Einstein auf der Basis seines in der klassischen Physik wurzelnden physikalischen Problemverständnisses formulierte, legten ihm nämlich zwar schon früh die von heute aus betrachtet korrekten Gleichungen nah, verhinderten aber zur gleichen Zeit deren konsistente physikalische Interpretation. Die komplizierte und weitreichende begriffliche Entwicklung, die beim Übergang von der klassischen Mechanik zur allgemein-relativistischen Gravitationstheorie erforderlich war, vollzog sich, wie wir hier nur andeuten konnten, in einem wechselseitigen Anpassungsprozeß zwischen mathematisch-formaler Repräsentation und physikalisch-begrifflicher Interpretation. Wie die dargelegte Episode illustriert, läßt sich dieser für ein erkenntnistheoretisches Verständnis des wissenschaftlichen Denkens zentrale Anpassungsprozeß nur auf der Grundlage detaillierter historischer Rekonstruktionen erhellen.

    Literatur

    1. A. Einstein, "Die Feldgleichungen der Gravitation", Sitzungsberichte der Preussischen Akademie der Wissenschaften. 2. Halbband (1915), 844-847.
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